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Erstverschlimmerung nach Osteopathie

Erstverschlimmerung nach Osteopathie

Ist eine Erstverschlimmerung nach Osteopathie normal und vor allem, was konkret ist als Erstverschlimmerung normal? Welche Symptome oder Folgeerscheinungen können dabei auftreten und was muss man als Patient tun? Vielleicht fragst du dich genau in diesem Moment diese Fragen und in diesem Beitrag möchte ich dem Phänomen der Erstverschlimmerung nach Osteopathie einmal ausführlich auf den Grund gehen und dich damit vielleicht auch ein wenig beruhigen. Seit vielen Jahren praktiziere ich als Osteopathin und kann dir versichern: Eine Erstverschlimmerung tritt zwar nicht zwingend auf, ist jedoch völlig normal und kann sich in vielen Varianten zeigen.

Was bezeichnet man konkret als Erstverschlimmerung nach Osteopathie?

Der Begriff Erstverschlimmerung ist natürlich kein spezifisch osteopathischer Begriff, sondern taucht im Prinzip in allen therapierenden Bereichen der Schul- und auch der Komplementärmedizin auf. Menschen berichten davon also nicht nur nach der Osteopathie, sondern Erstverschlimmerungen gibt es nach der Physiotherapie, nach Akupunktur, nach Wellnessmassagen, nach ärztlichen Behandlungen wie zum Beispiel einer Stoßwellentherapie und bestimmt fallen dir auch noch weitere Anwendungen ein.

Als eine Erstverschlimmerung nach Osteopathie bezeichnet man den Zustand, wenn sich nach einer Behandlung die Ursprungssymptome für ein paar Stunden oder Tage zunächst verstärken oder der Körper auch mit anderen Symptomen stark reagiert. Rein im eigenen Empfinden fühlt sich eine Erstverschlechterung für manche Menschen unangenehmer an, als der Ursprungszustand.

Welche Symptome können dabei auftreten?

Zunächst: Es gibt keine Abhandlung, welche eindeutig definiert, welche Symptome als Erstverschlimmerung nach Osteopathie gelten. Dieser Beitrag fußt auf empirischer Evidenz. Am stärksten sind die Reaktionen nach der ersten und manchmal auch nach einer zweiten Sitzung. Dann organisiert sich langsam das Körpersystem und die starken Reaktionen nehmen ab.

Im ersten Moment sind Patienten häufig von der Verschlimmerung irritiert, da sie ja eigentlich eine Verbesserung erwarten. Manche bekommen auch ein wenig Angst, ob denn wohl der Behandler alles richtig gemacht hat.

Das hat er mit ziemlicher Sicherheit und dennoch beschreiben Patienten häufig eine Schmerzverstärkung. Dabei tritt der Schmerz manchmal an anderen Stellen als der eigentlich ursprünglichen Schmerzstelle und übrigens manchmal auch an anderen Stellen als der Behandlungsbereiche auf. Es kann also bei einer Behandlung einer schmerzenden Schulter durchaus auftreten, dass sich nach der Behandlung die Lendenwirbelsäule meldet.

Darüber hinaus kommt es zum Beispiel zu teils starkem Muskelkater, Spannungsgefühl, Kribbeln im Gewebe, Muskelzittern, Abgeschlagenheit, manchmal tritt eine unüberwindbare Müdigkeit auf. Hin und wieder kommt es zu Kreislaufproblemen, manchmal tritt Schwindel auf.

Vegetative Symptome nach Osteopathie

Eine große Palette von Symptomen bezeichnen wir als sogenannte vegetative Reaktionen. Das sind Reaktionen, die dein unbewusstes, dein vegetatives Nervensystem produziert. Diese können sogar schon während der Behandlung auftreten. Hierzu zählen zum Beispiel starke Hitzewallungen, Frösteln, auch Kreislaufreaktionen, welche oft mit Übelkeit und ganz selten auch mal mit Erbrechen einher gehen. Die Reaktionen im Kreislaufgeschehen machen sich häufig durch erhöhten Puls bemerkbar. Speziell bei den vegetativen Symptomen lohnt es sich, mit dem Behandler zu sprechen, denn es kann ein Hinweis auf eine Überforderung des Körpersystems sein und hier wäre es zum Beispiel wichtig, nicht zu viele Behandlungen in kurzer Zeit hintereinander durchzuführen, sondern dem Körper Zeit zu lassen.

Ganz grundlegend ist das Thema Erstverschlimmerung oder Nebenwirkungen von Osteopathie noch nicht wirklich erforscht.

Gibt es eigentlich Studien zum Thema?

Ja, es gibt Studien, die sich mit dem Thema Folgen und Erstverschlimmerung nach Osteopathie befassen.

Die Osteopathin Magdalena Kloibhofer zum Beispiel hat sich in einer Fragebogenstudie mit den Nebenwirkungen von Osteopathie befasst. Insgesamt hat sie 61 Patienten am 7. Tag nach der osteopathischen Behandlung befragt. 87% von denen gaben an, dass sich die Symptomatik verbessert habe. Ein Viertel aller Befragten gab an, mindestens eine Nachwirkung gespürt zu haben, ein Großteil davon wurde als leicht bis mäßig beschrieben. Mit 23% wurde am Häufigsten Müdigkeit, gefolgt von lokalem und ausstrahlendem Schmerz genannt. Am häufigsten traten die Beschwerden am 1. Tag auf (84%)

In einer weitere Studie nahmen 27 Osteopathen mit jeweils 20 Patienten ebenfalls an einer Fragebogenstudie teil. Die Studie wurde bereits 2017 beendet – Ergebnisse dazu konnte ich leider nicht ausfindig machen. Jegliche Recherche endete auf 404 Seiten oder eben nur dem Hinweis, dass diese Studie stattfand aber nicht, wie sie ausging. Schade eigentlich. Warum das so ist weiß ich nicht – vielleicht ja jemand von Euch? Dann schreibt mir gern.

Warum kommt es überhaupt zu so einer Reaktion nach der Osteopathie?

Hier möchte ich an dem Punkt ansetzen, dass jedes Symptom letztendlich und höchstwahrscheinlich eine Kompensation vom Körper darstellt. Ein Organismus der völlig physiologisch funktioniert, muss keine dauerhaften oder behandlungspflichtigen Symptome machen – diese treten immer erst dann auf, wenn die eigenen Bewältigungs- oder Regulationsmechanismen des Körpers erschöpft sind.

Ein Beispiel.

Jemand ist mit dem Fuß umgeknickt, die anfängliche Schwellung und auch der Schmerz klingen ab. Augenscheinlich ist alles wieder in Ordnung. Doch bei genauerer Betrachtung, hinkt derjenige ein wenig, da sich der Körper das Schonmuster, also ein fehlerhaftes Gangbild nach der Verletzung gemerkt hat, welches sich auch nach Abklingen der Beschwerden nicht wieder zurück organisiert hat.

Er selbst merkt es jedoch nicht. Was passiert dann? Wochen später tauchen möglicherweise Schmerzen in der Hüfte, der Lendenwirbelsäule oder im Nacken auf, weshalb diese Person zum Osteopathen geht.

Die Ursache ist schnell gefunden: Es ist der Fuß, der seine volle Beweglichkeit und Stabilität nach der Verletzung noch nicht wiedererlangt hat. Der Osteopath behandelt den Fuß. In den Tagen nach der Behandlung stellt sich der komplette Muskel-Skelett Apparat um. Und genau das kostet den Körper Energie (das macht müde) und diese Umstellung bringt Muskeln ins Spiel, die aufgrund des Hinkens vielleicht längere Zeit nicht so aktiv am Bewegungsablauf beteiligt waren (das macht Muskelkater oder auch Muskelschmerz). Nach wenigen Tagen verschwinden die Beschwerden, die Person fühlt sich völlig gesund und kann jeglicher Aktivität wieder ganz normal nachgehen.

Wie lange dauert eine Erstverschlimmerung nach Osteopathie?

In der Regel hält eine Erstverschlimmerung für ein paar Stunden und manchmal auch wenige also vielleicht ein bis maximal 5 Tage an. In einigen Fällen dauert es auch mal ein wenig länger – das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Vor Jahren kam ich in den unsäglichen Genuss eines etwa 7-tägigen stärkeren Muskelkaters. Ein Osteopath hatte mir die Brustwirbelsäule manipuliert, was dazu führte, dass ich für den genannten Zeitraum kaum meine Arme vernünftig heben konnte. Bei meinem Beruf als Therapeutin natürlich echt blöd – aber: Danach war es deutlich besser und darauf kommt es letztendlich an.

Was bedeutet diese Erstverschlimmerung?

Im Grunde zeigt dir dein Körper mit einer Verschlechterung nach einer Therapie, dass er in einen regulativen Prozess eingestiegen ist und dass er auf die gesetzten Reize reagiert. Das ist ein ganz normaler Prozess. Muskelarbeit verändert sich, Bindegebe verändert seine Spannung, dadurch kommt es zu mechanischen Veränderungen an sämtlichen, den Körper bildenden Strukturen. Nerven reagieren vielleicht mit Ziehen, die Durchblutungssituation verbessert sich und du spürst ein Kribbeln und zum Beispiel der globale Wegfall von Spannung im Körper äußert sich mit Schwindel oder flauem Gefühl.

Was gibt es für dich als Patient zu tun?

Mit dem Wissen aus diesem Beitrag gelingt es dir ganz sicher, einfach ein wenig geduldig zu sein. Betrachte neugierig die Reaktionen, die dein Körper so zeigt und freu dich vielleicht sogar ein klein wenig, dass er auf die Behandlung reagiert. Sorge in diesen Tagen gut für dich und verschaffe deinem Körper ausreichend Ruhe und Gelegenheit, die notwendigen Veränderungen vollziehen zu dürfen. Meide Stress wie zum Beispiel hartes Leistungstraining oder massive Überstunden auf Arbeit. Schlafe wenn dir so ist einfach eine Runde, trinke ausreichend Flüssigkeit oder gehe einer Tätigkeit nach, die dir Spaß macht – dich jedoch nicht zu sehr fordert.

Und weil mich viele Leute nach der Behandlung fragen: Du darfst nach der Osteopathie alles machen, was sich für dich gut anfühlt. Wenn du Lust hast zu joggen, dann mach das ruhig. Es ist dein Körper und der wird dir schon sagen, was er braucht. Manche Patienten bekommen neben den Behandlungsreaktionen gleichzeitig einen richtigen. Die positive Seite – das System wird gesünder, bekommt mehr Energie und kann effizienter arbeiten. Na warum denn nicht einen kleinen Budenzauber veranstalten und die Wohnung mal wieder richtig ordentlich putzen? Alles, was sich für dich in Ordnung anfühlt – ist auch erlaubt. Jedoch – wisse einfach, dass veränderte Muskelmechanik eher moderate Bewegung mag.

Sollte man bei Erstverschlimmerung den behandelnden Osteopathen konsultieren?

„Sollen“ muss niemand gar nichts – aber du darfst natürlich den behandelnden Osteopathen konsultieren, wenn du dich mit einer Behandlungsreaktion nicht wohlfühlst. Rein rückblickend haben mich persönlich eher wenige Patienten angerufen – da ich meistens genau das mitgebe, was ich hier aufgeschrieben habe. Einfach mal kurz abwarten und den Körper mal machen lassen.

Dennoch gibt es seltene Fälle, wo eben doch eine unerwartete Erstverschlimmerung auftritt und dann darfst du dich natürlich jederzeit melden. Warum auch nicht. Folge bitte hier auch immer deinem Instinkt. Wenn dein Gefühl sagt, du möchtest gern mit dem Behandler sprechen – dann schreibe ihm doch einfach eine mail, schildere in 1-2 Sätzen worum es geht und bitte um einen Rückruf. Das kann unheimlich beruhigen.

Sei aber einfach auch fair und halte dich an die gegebenen Behandlungsempfehlungen. Wenn der Osteopath empfiehlt etwas Ruhe zu halten und du machst dich entgegen aller Empfehlungen auf eine 10-stündige Zugreise, wo du ungünstig sitzt, einem Lärm- und Stresspegel ausgesetzt bist oder du nach deiner Behandlung als Kümmerkäfer noch 3 Freundinnen in ihrem Kummer samt traumatischer Lebensgeschichte auffängst – dann kann es sein, dass dein Körper einfach nicht einverstanden ist – weil das jedem Körper zu viel würde und dann reagiert er auch heftiger.

 

Vielen Dank, dass du dich bis hierhin durchgehangelt hast.

 

Und: Lange Rede, kurzer Sinn: Ja – Erstverschlimmerung nach Osteopathie ist möglich und ich hoffe, ich konnte dir mit dem Beitrag ein wenig die Irritation nehmen. Schreib mir gern in die Kommentare, falls du noch eine Frage dazu hast – oder einfach von deiner Behandlung berichten möchtest.

 

 

Autorin: Sandra Hintringer

 

 

 

 

 

Quellen:

Magdalena Kloibhofer – https://www.osteopathicresearch.com/s/orw/item/3903

http://www.do-touch-net.de/aktuelle_studie

6 Kommentare

  • Hallo, ich bin zufällig auf den Bericht hier gestoßen, da ich gerade heftige Wirkungen einer Erstverschlimmerung habe und auch ängstlich wurde. Ihr Text hat mir sehr geholfen und ich hab mich über ihre einfache und angenehme Art der Erklärung gefreut und wollte einfach mal danke sagen, also: vielen Dank! Viele Grüße
    Mira Mühlenhoff

    Antworten
    • Hallo liebe Mira Mühlenhoff,

      toll, das freut mich, dass der Beitrag geholfen hat. So soll es sein.

      Liebe Grüße
      Sandra Hintringer

      Antworten
  • Hallo, ich bin CMD Patient und habe zwecks Kieferveränderung Blockaden gelöst bekommen.Dies hat auch funktioniert, mein Kiefer ist im Moment nicht mehr das Problem. Ich habe jetzt massive vegetative Störungen, könnt an die Wand laufen. Können Sie mir dazu etwas sagen
    LG

    Antworten
  • Moin.
    Bin zufällig auf ihre Seite gelandet.
    Und bin begeistert. Ich habe mir schon Sorgen gemacht,weil bei mir heute (1 Tag)danach eine erstverschlimmerung eingetreten ist.
    Bei mir wurde Becken und bws behandelt.
    Ab heute habe ich extrem Schulter und Nacken schmerzen , die bis im Kiefer und in den Kopf gehen. Und dazu kommt noch ein kribbeln.
    Wie ich oben schon erwähnt habe, danke für Ihren Bericht.
    V.g

    Aber wie ich bei ihnen gelesen habe, ist das normal ! Das baut mich auf.

    Antworten
  • Klasse geschrieben, ausführlich und gleichzeitig verständlich!
    Ich war wegen Post COVID Symptomen gestern zur Osteopathie, heute geht es mir gefühlt schlechter, aber das zeigt, dass mein Körper reagiert :)
    Lieben Dank für den Beitrag.

    Antworten

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